#7 Die kopierten Individuen

Kürzlich war ich mit einer Gruppe von Freunden in der Stadt Zürich im Ausgang. Ausgiebiger Apéro, feines Essen, gute Drinks. Irgendwann kam der Zeitpunkt für frische Stadtluft. So bin ich mit ein paar Freunden nach draussen. Es gibt ja auch noch Raucher unter uns, die draussen ihrer Sucht oder ihren Gelüsten frönen. Ich selbst geniesse zwischendurch einfach sehr gerne einen Break, frische Luft und Gespräche bei denen wir uns nicht anschreien müssen, da selbst zum Dinner die Musik nicht nur im 'Hintergrund' läuft. Bei einer solchen Gelegenheit habe ich mich also mit ein paar von meinen Freunden unterhalten. In diesem Fall waren es ausschliesslich Männer. Um nach draussen zu gelangen mussten wir einmal quer durch das gesamte Lokal laufen. Draussen angekommen waren die Herren leicht konsterniert. Ich lachte und dachte dies sei, weil wir zu viele sexy Frauen gekreuzt hätten und sie damit überfordert wären. Sexy meint in diesem Fall: Frauen mit sagen wir mal 'Modelmassen', kurzen und/oder engen Kleidern, hohen Schuhen, langen Haaren, noch längeren Wimpern, sehr viel Make-up, prallen Lippen und geschätzt zwischen 18 bis 26 Jahren jung.  Ja, ich bin mir bewusst dies klingt sehr klischeehaft aber so war es nun mal. Mir sind die Frauen auf jeden Fall auch optisch aufgefallen. Unser Gespräch nahm dann einen anderen Verlauf als ich erwartet hätte. Denn die Jungs fragten mich: "seit wann sehen eigentlich alle Frauen gleich aus?".

 

Gute Frage! Denn dasselbe habe ich mich tatsächlich auch schon öfters gefragt, wenn ich zum Beispiel durch die Modehäuser der Stadt oder die Bahnhofstrasse schlendere. Natürlich gibt es Beauty-Trends denen viele Frauen folgen. Dünne Augenbrauen, dicke Augenbrauen, wilde Augenbrauen, wer kennt diese nicht. Ähnlich wie die Trends bei der Mode. Wir können diese ignorieren, mitmachen oder hassen, jede und jeder wie er/sie mag. Aber hat dies auch früher schon zu medizinischen Eingriffen geführt? Botox oder Filler im Gesicht? Und wo bleibt das Individuum, wenn am Schluss alle gleich aussehen? Spannend fand ich die Diskussion mit den Männern auf jeden Fall, auch dass sie dies eher als irritierend und langweilig empfanden.

 

Ein paar Wochen später traf ich eine Freundin zum Dinner. Down town in einem Restaurant mit einem prall gefülltem Buffet an Köstlichkeiten. Beide füllten wir uns also an diesem Buffet unsere Teller. Zurück an unserem Platz meinte sie zu mir: "irgendwie habe ich das Gefühl, dass viele Frauen sehr ähnlich aussehen, eigentlich schade. Woher kommt das?". Spannend, dachte ich mir und erzählte von der Diskussion mit den Herren von neulich Abend. Wir haben das Thema damit abgeschlossen, dass wir mit Prosecco und Weisswein auf unsere Individualität, unsere Persönlichkeit und unsere Unvollkommenheit angestossen haben. Wir sind froh uns selber nicht diesem 'Druck' beugen zu müssen, welcher wahrscheinlich auch dank den (Sozialen) Medien bei einigen Frauen (es kann natürlich auch Männer betreffen) deutlich zu spüren ist.

 

Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Beauty-Eingriffe und bin persönlich auch offen dafür, wenn ich selber etwas als notwendig/störend empfinden würde. Was mich irritiert ist das junge Alter. Denn zwischen 18 und 25 Jahren sind Botox und Filler wahrscheinlich kaum notwendig. Ich hoffe einfach für die jungen Frauen, dass diese Behandlungen keine Spätfolgen nach sich ziehen werden. Wir werden es wohl in den nächsten Jahren zu sehen und zu hören bekommen.

 

Individuelle Grüsse

Eurer Madame Alltag

 

Geschrieben im November 2022